Das leise Gewicht, das niemand sieht
Es gibt Entscheidungen, die niemand für dich treffen kann.
Und es gibt Konsequenzen, mit denen du allein weitergehst – selbst dann, wenn sie richtig waren.
Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine dieser Entscheidungen.
Nicht selten bleibt danach ein unsichtbares Gewicht: Schuld.
Nicht, weil du „etwas Falsches“ getan hättest,
sondern weil unsere Gesellschaft Frauen immer noch beibringt,
dass Mutterschaft das einzige Ziel sein muss.
Und weil kaum jemand offen darüber spricht,
tragen viele Frauen diesen Schmerz im Stillen –
bis er sich irgendwann im Körper, im Schlaf oder in leisen Momenten bemerkbar macht.
Was ich täglich beobachte – und warum das Thema so schwer wiegt
Ich arbeite seit vielen Jahren bei einer gesetzlichen Krankenkasse.
Und immer wieder sitzen Frauen mir gegenüber oder rufen an,
die sich nach einem Schwangerschaftsabbruch erkundigen.
Fast jede klingt unsicher, vorsichtig, fast schuldig.
Manche beginnen mit:
„Ich weiß gar nicht, ob ich das jetzt sagen darf…“
oder
„Könnten Sie bitte dafür sorgen, dass mein Mann davon nichts erfährt?“
Andere bringen ihre Freundin, Schwester oder Mutter mit,
weil sie die Situation emotional kaum aushalten.
Diese Gespräche zeigen jedes Mal:
Das Thema ist immer noch tabu.
Selbst 2025 – in einem Land, das so aufgeklärt sein will.
Und genau deswegen braucht es Räume wie diesen hier.
Räume, in denen Frauen einfach Mensch sein dürfen.
Mit allem, was dazugehört: Schmerz, Zweifel, Erleichterung, Trauer, Mut.
Warum Schuldgefühle entstehen – auch wenn du „rational“ weißt, dass es richtig war
Schuld ist keine Wahrheit, sie ist ein Reflex.
Sie entsteht, wenn Herz und Verstand in zwei Sprachen sprechen.
Der Verstand sagt:
„Ich hatte keine Wahl. Es war notwendig.“
Das Herz aber flüstert:
„Aber ich hatte gehofft…“
Dieses Spannungsfeld kann lähmen.
Viele Frauen empfinden die ersten Wochen nach dem Abbruch wie eine Art inneres Nebelfeld.
Sie funktionieren, aber sie fühlen nicht.
Schuldgefühle sind in Wahrheit ein Ausdruck von Sehnsucht nach Frieden.
Sie wollen dich nicht bestrafen – sie wollen, dass du wieder ganz wirst.
Wie du innerlich Frieden finden kannst
Hier sind 5 Wege, die dir helfen können, Schritt für Schritt aus der Schuld in die Selbstannahme zu kommen:
1. 💬 Erkenne den wahren Ursprung deiner Schuldgefühle
Frag dich: Ist es wirklich meine Schuld – oder das Echo der Erwartungen anderer?
Oft sind es alte Glaubenssätze („Eine gute Frau…“, „Eine richtige Mutter…“),
die uns innerlich verurteilen, obwohl sie gar nicht unsere Stimme sind.
2. 🌕 Sprich mit deinem Körper – nicht über ihn
Dein Körper trägt Erinnerungen, aber auch Mitgefühl.
Lege die Hand auf deinen Bauch und sag:
„Ich vergebe mir, dass ich Mensch bin. Ich vergebe mir, dass ich gefühlt habe.“
Diese Sätze wirken wie innere Medizin.
3. 🌸 Ritual der Selbstvergebung
Ein kleines Praxis-Liebenswert-Ritual:
🕯️ Du brauchst:
- eine Kerze
- ein Blatt Papier
- etwas, das dich symbolisch an das erinnert, was war (z. B. einen Stein, ein Tuch)
💫 So geht’s:
Schreibe drei Sätze, die dich festhalten:
z. B. „Ich hätte stärker sein sollen.“, „Ich war zu egoistisch.“
Verbrenne das Blatt (sicher!) oder vergrabe es in der Erde.
Atme tief ein und sage:
„Ich bin nicht, was passiert ist. Ich bin, was daraus wächst.“
4. 🌺 Umgib dich mit Menschen, die dich nicht bewerten
Schuldgefühle heilen nicht in Isolation.
Wenn du niemanden im Umfeld hast, der das versteht,
dann nutze anonyme Räume – wie meine Rubrik „Frag Liebenswert“,
wo du mir deine Frage stellen kannst.
Dort darfst du einfach sein – ehrlich, ungeschönt, menschlich.
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5. 🕊️ Gib deinem Herzen Zeit
Vergebung ist kein Knopfdruck.
Sie ist ein Prozess, bei dem du dich Schicht für Schicht wieder selbst umarmst.
Du wirst wissen, dass du auf dem richtigen Weg bist,
wenn du irgendwann spürst:
„Ich muss mich nicht mehr rechtfertigen – ich darf einfach leben.“
Wenn du Unterstützung brauchst
Ich habe eine Begleitung für dich entwickelt,
die dich in dieser Phase sanft unterstützen kann:
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Schlusswort – "Schuld" war nie dein Zuhause
Wenn du diesen Artikel liest, hast du bereits den wichtigsten Schritt getan:
Du hast den Mut, hinzusehen.
Du bist nicht „die, die etwas getan hat“.
Du bist die, die fühlt, reflektiert, heilt.
Und das ist wahre Stärke.
Es braucht Mut, still zu weinen.
Noch mehr Mut, weiterzugehen.
Aber am meisten Mut, sich selbst wieder die Hand zu reichen.
Und genau das tust du – jetzt, hier, in diesem Moment.
FAQ
Warum fühle ich mich nach einem Abbruch schuldig, obwohl ich überzeugt war, dass es richtig war?
Weil Kopf und Herz unterschiedlich heilen. Schuldgefühle sind kein Beweis für Fehler – sondern für Menschlichkeit.
Wie lange dauern diese Gefühle an?
Das ist individuell. Manche spüren nach Wochen Erleichterung, andere erst nach Monaten. Heilung hat kein Ablaufdatum.
Darf ich trotzdem traurig sein, obwohl es meine Entscheidung war?
Ja. Trauer und Entscheidung schließen sich nicht aus. Du darfst um das trauern, was hätte sein können.
Was kann ich tun, wenn ich nicht aufhören kann, mich zu verurteilen?
Schreib dir einen Brief aus Sicht deines älteren Ichs – die Frau, die du in fünf Jahren sein wirst.
Sie wird dir sagen: „Ich bin stolz auf dich, weil du Verantwortung getragen hast, als niemand deine Last gesehen hat.“
👉 Dieser Artikel ist Teil der Serie "Schwangerschaftsabbruch & Entscheidung".
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