Wenn Nähe zu viel wird

Veröffentlicht am 30. November 2025 um 19:28

Meine Erfahrung mit Berührungsempfindlichkeit als hochsensible Mutter

 

Ich erinnere mich noch genau an diese ersten Wochen nach der Geburt.
Alle sprachen von Kuschelzeit, Bonding, Hautkontakt – und ich wollte das auch.
Ich wollte diese Nähe genießen, so wie es bei anderen Müttern aussah:

innig, zärtlich, mühelos.
Doch tief in mir passierte etwas anderes.

Da war dieses leise, aber sehr reale Gefühl von Überforderung.
Nicht, weil ich mein Baby nicht liebte – im Gegenteil. Ich liebte es so sehr, dass ich fast daran zerfloss.
Aber mein Körper schien anders zu reagieren: Jede Berührung, jedes ständige Tragen, das ununterbrochene Anfassen, das Saugen beim Stillen – es fühlte sich manchmal an, als würde mein Nervensystem brennen.

Ich verstand lange nicht, warum ich mich so seltsam fühlte.
Warum ich diese Nähe, die doch eigentlich schön sein sollte, manchmal kaum aushalten konnte.
Warum ich mich innerlich zurückzog, obwohl ich körperlich ständig gebraucht wurde.
Ich dachte: Mit mir stimmt etwas nicht.

Bei anderen Müttern sah das alles so leicht aus.
So selbstverständlich.

Und ich? Ich fühlte mich schuldig, weil ich mir manchmal einfach nur wünschte,

niemand würde mich anfassen.
Nicht mal liebevoll.

Erst viel später verstand ich, was da wirklich los war:
Mein hochsensibles Nervensystem war schlicht überfordert.


Es filterte nichts weg, nahm alles gleichzeitig wahr – jede Bewegung, jedes Geräusch, jeden Hautreiz.
Und während andere in dieser körperlichen Nähe aufgingen, überflutete sie mich.

Diese Erkenntnis hat vieles verändert.


Ich begann, meine Grenzen zu respektieren, anstatt sie zu bekämpfen.
Ich lernte, dass auch Nähe Pausen braucht – und dass ich eine bessere Mutter bin, wenn ich zwischendurch Abstand habe.

 

Heute weiß ich:
Ich bin nicht „zu empfindlich“.
Ich bin feinfühlig.
Und das ist ein Geschenk – wenn ich gut auf mich aufpasse.

Ich darf sagen: „Ich brauche kurz Raum.“
Ich darf mein Kind lieben – und mich trotzdem nach Ruhe sehnen.
Ich darf Mutter sein, ohne mich ständig aufzugeben.

Vielleicht erkennst du dich in meinen Worten wieder.
Dann möchte ich dir sagen:
Du bist nicht falsch.
Du bist einfach sensibel.

Und das ist etwas Wunderschönes, wenn du beginnst, dich selbst darin zu verstehen.

 

Autorin: Bettina Müller-Farné - Gründerin Liebenwert-Magazin

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